Der therapeutische Einsatz von Thymuspeptid-Präparaten in der ganzheitlichen Krebstherapie

 Manfred D. Kuno und Michael Lindenbacher, Berlin

 

Zusammenfassung

Die Behandlung von Patienten mit bösartigen Geschwulstkrankheiten im Rahmen der naturheilkundlichen Praxis bedarf einer umfassenden Palette an Maßnahmen, da sich das Problemfeld der Krebskrankheiten als ein außerordentlich komplexes Geschehen darstellt. Neben zytostatischen, biochemischen und psychosozialen Therapiezielen stellt die Tumor-Wirts-Beziehung auf der immunologischen Ebene ein spezifisches Problem dar. Hier zeigen unsere Erfahrungen, daß beim Vorliegen spezieller immunologischer Bedingungen der Einsatz von Thymuspeptiden sowohl sicher, wie auch effektiv ist. Die Abwehrfähigkeit des Betroffenen gegenüber malignen Zellen wird objektiv gesteigert, die subjektive Befindenslage deutlich gebessert, und häufig signalisieren diese Kriterien den Beginn einer Tumorregression.

 

 

Das Problemfeld Krebs

Seit 1952 gibt es in Deutschland eine systematisch geführte Todesursachenstatistik. Die diesbezüglichen Zahlen weisen nach Aussage des Krebsatlas der Bundesrepublik Deutschland (Springer Verlag Berlin) einen Anstieg der krebsbedingten Todesfälle bei gleichzeitig sinkender Gesamtmortalität in der Bevölkerung der ehemaligen BRD einschließlich Westberlins aus (alte Bundesländer). Der Trend in der ehemaligen DDR (ausgewiesen durch das dort sehr gründlich geführte Krebs-Melderegister) ist ähnlich. Die geschlechtsspezifische Verteilung zeigt bei der Frau einen besonders deutlichen Anstieg bei Brustdrüsen- und Darmtumoren, aber auch bei den Tumoren von Lunge, Pankreas, Gebärmutterhals, HNO-Bereich, Gallenblase, sowie bei den systemischen malignen Erkrankungen von Lymph- und blutbildendem System.

Beim Mann zeigt sich ein Anstieg aller Tumorarten, mit Ausnahme von Ösophagus, Magen, Knochen und Bindegwebe. Hier ist der Anstieg der Lungen- und Bronchialtumoren mit 118% im Zeitraum von 1952 bis 1981 besonders dramatisch.

In der orthodoxen Krebsmedizin, die trotz aller eindeutigen Signale für eine Summationsursache bei Krebs noch immer am Virchow'schen Zellmodell festhält, und ihre Behandlungsstrategien vorwiegend auf die Vernichtung der Krebszelle ausrichtet, stehen erkennbare Erfolge in der Krebsbehandlung aus. Lediglich in der Therapie der systemischen (v.a. kindlichen und juvenilen) Neoplasien, wie den Leukämien und den Lymphwegserkrankungen, kann Erfolg im Sinne anhaltender Rückbildungen beobachtet werden. Demgegenüber stellen die weitverbreiteten soliden Tumoren des Epithelgewebes eine anhaltende Herausforderung dar. Letztere Tumorarten sind durch die heutige moderne onkologische Therapie nur dann effektiv behandelbar, wenn sie in einem sehr frühen Tumorstadium entdeckt, und frühzeitig und weiträumig chirurgisch entfernt werden. Aber selbst in diesen (seltenen) Fällen zeigen sich Jahre später auftretende Rezidive und Metastasen, was die Bedeutung biochemischer, immunologischer und psychosozialer Rahmenbedingungen in der Krebsthematik betont. Dieses Problemfeld ist durch einen der Autoren dieses Beitrages, wie auch von anderer kompetenter Seite dieser- und andernorts vielfach beleuchtet worden. Die orthodoxe Krebsmedizin verharrt trotzdem weitgehend in einem fatalen 4-Punkte-Schema der Krebs- (Zell-) Behandlung, die für alle Beteiligten frustrierend, für den Betroffenen zuoft tödlich ist:

1. Sicherung eines Tumors

(Dieses Stadium der Krebskrankheit stellt aus unserer Sicht ein Spätstadium dar, zumal meist bereits Jahre bis Jahrzehnte des okkulten Tumorwachstums vergangen, die Biochemie des Patienten entgleist und die Abwehrlage defizient geworden sind).

2. Entfernung des Tumors

(tumorzentrierte Therapien, die allermeist die psychosozialen Kofaktoren, die biochemischen Rahmenbedingungen und die immunologischen Gegebenheiten vernachlässigen. Das Rezidivgeschehen wird hier bereits festgeschrieben, weil die Tumorentfernung eben nicht identisch ist mit der Behandlung der Tumorursachen und -begleitphänomene).

3. Substitution

(Auffüllung der durch die Tumortherapie verlorengegangenen Substanzen und damit häufig weitere Schwächung des Systems Mensch, z.b. durch allzu freigiebige Applikation von Blut und Blutprodukten, die immer eine passagere Immunsuppression darstellen).

4. Wartephase, sog. Nachsorge

(Arzt und Patient leben weiter wie vorher, und blicken bangend auf die viertel- bis halbjährlichen Nachsorgetermine, die ja letztens nichts anderes darstellen, als eine neuerliche Tumorsuche).

Die orthodoxe Krebsmedizin verfällt angesichts dieses Circulus vitiosus in unberechtigten (und unwissenschaftlichen) Fatalismus; so wird in den offiziellen Verlautbarungen auf einen Anstieg der Krebs-Heilungsquote im Zeitraum von 1950 bis 1990 um immerhin 50% verwiesen. Hinter dieser Zahl steht real allerdings eine Steigerung der Krebs-Heilungsquote von 12% auf 18%, was bedeutet, daß heute 82% aller Tumorerkrankungen n i c h t heilbar sind.

Noch schlechter stellt U.ABEL die Situation dar, der die Ansätze und die Effektivität der modernen Chemotherapie bei den epithelialen Tumoren untersucht und zu einem vernichtenden Urteil gelangt: die moderne Chemotherapie sei nicht nur ineffektiv in der Behandlung der soliden epithelialen Tumoren, sie sei zudem in ihren theoretischen Grundlagen (Studienmodelle der Zytostatikatherapien) allermeist unwissenschaftlich begründet.

 

Krebsmedizin -- Ganzheitsmedizin

Das Problemfeld Krebs stellt für uns ganzheitlich-naturheilkundlich orientierte Behandler keine geringere Herausforderung dar. Auch als naturheilkundliche Behandler, die allermeist von vornherein einen breiteren Denk- und Handlungsrahmen in der Therapie aufweisen, stoßen wir mit dem Krebskranken auf eine uns selbst bedrohende Dimension: das Endliche, die Begrenzungen unseres Denkens und Handelns, den Tod. Auch bei uns führt dies zu Reaktionen, die fatalistischen Charakter aufweisen. Vertreter isolationistischer Ausschließlichkeits-Hypothesen finden sich allenthalben auch bei uns; hier wird das Krebsproblem auf psychische Konflikte, Ernährungsfehler, Störungen spezieller biochemischer Reaktionswege, oder aber auf esoterisch-karmische Gründe reduziert. Dies ist für den Betroffenen dann fatal, wenn mit diesen Hypothesen eine Ausschließlichkeit verbunden ist, wenn die Begeisterung des Therapeuten von seiner Forschungsebene nicht mehr gelöst werden kann, wenn letztendlich vergessen wird, welch außerordentlich vielschichtiges und komplexes Geschehen letztlich in eine Tumorbildung mündet.

Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: eine tatsächlich ganzheitliche Behandlung eines krebskranken Menschen bedarf der gleichwertigen Intervention in den folgenden Bereichen:

- Zytostase (Ansätze: OP, Chemo-, Strahlen-, Hormon-, Misteltherapie, Hyperthermie)

- Psychosoziale Therapie (Ansätze: Gestalt-, Verhaltenstherapie,Bioenergetik, NLP)

- Energetische Therapie (Ansätze: Biofeedback, Bioresonanz,Homöopathie)

- Immunstimulation (Ansätze: Zytokine und Mediatoren, Mistel, Thymus- und Organotherapie, Orthomolekulare Medizin, Fiebertherapie)

- Biochemie (Ansätze: Biokatalysatoren, Vitamine und Spurenelemente, Ernährungsmedizin).

Wenn wir mit dem heutigen Beitrag schwerpunktmäßig die immunologische Dimension betonen dann nur in ausdrücklicher Würdigung der Komplexität des Krebsgeschehens. Kein Mensch wird durch die ausschließliche Gabe von Thymusextrakten von seiner Krebskrankheit heilen können, sofern nicht die biochemischen Stoffwechselebenen, die psychoschosozialen Umfeldbedingungen, ja selbst die philosophisch-theosophischen Denk- und Glaubenssysteme des Betroffenen individuell berücksichtigt werden. Trotzdem ist die immunologische Dimension, die Beziehung zwischen Tumor und Tumorträger sowohl in der Entstehung, im Verlauf, wie in den therapeutischen Beeinflussungsmöglichkeiten, eine wichtige Dimension.

 

 

Tumorbiologie und Tumor-Wirts-Beziehung

Bei der Betrachtung sowohl der strukturellen, wie auch der biochemischen Eigenarten des Tumorgeschehens kann gesagt werden, daß das Tumorgeschehen sich im menschlichen Organismus unsozial und parasitär verhält. Wir gehen in der Tumorentwicklung heute davon aus, daß die Entartung einer Zelle in Richtung Tumorzelle als eine Normvariante im Rahmen der täglichen milliardenfachen Zellteilungsvorgänge zu betrachten ist. Es ist zu vermuten, daß sich im gesunden menschlichen Organismus täglich Tumorzellbildungen von einigen Hundert bis Tausend Zellen ereignen, je nach Exposition des menschlichen Körpers gegenüber äußeren Bedingungen. So muß davon ausgegangen werden, daß sich z.b. nach einem intensiven Sonnenbad, einem intensiven psychischen Streßerleben, ebenso wie während einer Virusinfektion, die Zahl maligner Zell-Transformationen vervielfacht. Die Potenz der menschlichen Abwehrlage entscheidet letztlich darüber, inwieweit sich ein maligner Zellklon dann zu einem Tumorgeschehen manifestieren kann, oder aber erkannt und eliminiert wird. Expandiert das Tumorgeschehen bis zu einer gewissen (individuell sicher unterschiedlichen) Tumormasse, wird auch ein inzwischen wieder stabilisiertes Immunsystem unfähig sein, das nun auch biochemisch und immunologisch aktive Tumorgeschehen ausreichend zu bekämpfen.

Ab einem gewissen Zeitpunkt und einer gewissen Ausdehnung ist das Tumorgeschehen in der Lage

a) sich selbst parasitär vom Wirtsorganismus zu ernähren (z.B. Bildung und Ausschüttung von Angiogenesis-Faktor, einer hormonähnlichen Substanz, mit deren Hilfe der Tumor eine intensive Sprossung von Kapillaren bewirkt),

b) sich Angriffen von Immunzellen zu entziehen (z.B. aktive und passive Maskierung)

c) das umliegende gesunde Gewebe zu schädigen und damit biochemisch für eine maligne Entartung vorzubereiten (z.B. Laktatbildung und -Ausschüttung).

In diesem Stadium ist die Immunabwehr des Organismus überrundet; Repairmechanismen und Selbstheilungskräfte des Organismus haben keine Chancen mehr, regulierend einzugreifen und das autonom gewordene Geschehen in Richtung Heilung zu regulieren: das Krebsgeschehen nimmt seinen Lauf. Beachtenswert ist, daß dieser beschriebene Prozeß zu einem Zeitpunkt der Krebsentwicklung stattfindet, in dem noch keine klinische Fassbarkeit des Tumors möglich ist. Der Tumorzellklon ist noch zu klein, um von den modernen bildgebenden Verfahren, wie Computertomografie, Sonografie, Röntgen- oder Magnetfeldverfahren erfaßt zu werden. Dahingegen ist ein solches Geschehen sehr oft bereits in den nachfolgend angeführten immunologischen Untersuchungsverfahren erkennbar, zumindest ein Verdacht in diese Richtung verifizierbar.

 

Immunsystem und Tumor-Immunantwort

Grob vereinfachend kann das menschliche Immunsystem in drei Ebenen eingeteilt werden, die in ständiger Verbindung und Kommunikation untereinander stehen, und gleichzeitig über das Hormon- und Nervensystem des Menschen miteinander vernetzt sind:

1. das systemisch-zelluläre Immunsystem:

Aus dem Knochenmark stammende und im lymphatischen System gereifte immunkompetente Zellgruppen, die sich in ständiger Zirkulation sowohl im Blut, wie auch im Lymphsystem und im Gewebe befinden.

2. das systemisch-humorale Immunsystem:

Von den ObG. Abwehrzellen produzierte Substanzen mit Zytokin- und Mediatorenfunktion. Verantwortlich für die Zell-Zell-Kommunikation und Alarmsignal-Substanzen im Falle der Einleitung einer Immunreaktion.

3. das lokal-gewebliche Immunsystem (Matrix):

Von PISCHINGER und (objektiviert) von HEINE beschriebenes parazelluläres, maschenähnliches Abwehrsystem, bestehend aus Elastin, Kollagen und anderen chemischen Verbindungen, welches wie eine Art Filtersystem die geweblichen Zellverbände umschließt.

Wir wollen uns in vorliegendem Beitrag auf den ersten Punkt, also das systemisch-zelluläre Immunsystem konzentrieren. Hinsichtlich des humoralen Immunsystems (Zytokine, Mediatoren), sowie des geweblichen Immunsystems (Matrix) sei auf die anhängende Literatur verwiesen, die Besprechung dieser Ebenen der Immunologie würde unseren Themenrahmen sprengen, lesen Sie hierzu bitte den diesbezüglichen Aufsatz von Prof.Dr.H. Heine in NATURHEILPRAXIS 12, R.Pflaum Verlag München 1994).

Im menschlichen Knochenmark kommt es zur Ausbildung pluripotenter Stammzellen, die nach dem Ausstoß (vornehmlich aus den Beckenknochen, dem Sternum und den langen Röhrenknochen) verschiedene Wege der Reifung nehmen. Unter dem Einfluß von Zellbotenstoffen (Zytokinen und Mediatoren), sowie in verschiedenen, meist lymphatischen Organen, reifen die Stamm- und Vorläuferzellen zu immunkompetenten Zellen mit unterschiedlicher Funktion und Aufgabe aus. Das Erkennen und Reagieren auf fremde Strukturen (Viren, Bakterien, Pilze, Parasiten), wie auch die Regulation pathologischer Entwicklungen körpereigener Zellen oder anderer Zellprodukte (Tumorzellen, Autoantiköper, virusinfizierte Körperzellen) sind die Aufgabe der verschiedenen Abwehrzellen. Dabei kommunizieren diese ständig sowohl untereinander, wie auch mit geweblichen Zellen (z.B. des Nerven- oder Hormonsystems), um bei Erfordernis eine jeweils optimale Gesamtreaktion des Organismus auf pathogene Reize zu gewährleisten (=Immunantwort).

Die unterschiedlichen Zell-Populationen, die uns im Zusammenhang mit dem Krebsgeschehen interessieren, werden (entsprechend ihrer Reifungswege) grob in T-Zellen, B-Zellen, Null-Zellen, Granulozyten und Monozyten unterschieden. Die Unterscheidung wird dadurch ermöglicht, daß die jeweiligen Zellen unterschiedliche Oberflächenstrukturen ausprägen. Diese Strukturen (sog. Rezeptoren) ermöglichen ein Erkennen untereinander, machen aber auch eine Erfassung in der immunologischen Diagnostik möglich. In der heutigen Immunologie werden diese Zell-Subpopulationen mit dem Begriff "CD" für Cluster Differentiation bezeichnet, eine inzwischen internationale Nomenklatur steht hierfür zu Verfügung, und hat die ältere Bezeichnung "LEU" abgelöst.

Im Zusammenhang mit dem Krebsgeschehen kommt in der systemisch-zellulären Immunreaktion vier Zellgruppen eine hervorragende Bedeutung zu: den T-Zellen (= thymusabhängige Zellen, CD3+), den natürlichen (nk-) und lymphokin-aktivierten Killerzellen (nk-Zellen CD3+,16+,56+, sowie LAK-Zellen), und den zytotoxischen Suppressor-T-Zellen (CD3+,8+,38+).

Um nicht zu verwirren, wollen wir jedoch nachfolgend auf die CD-Kürzel verzichten und nur in T-Zellen, nk-Zellen, LAK-Zellen und zytotox.Zellen unterscheiden.

In der Beobachtung immunologischer Daten von krebskranken und krebsgesunden Menschen, die wir recht intensiv seit mehr als zehn Jahren durchführen, erkennen wir im Zusammenhang mit der Entwicklung und dem Verlauf von Tumorbildungen typische und sehr häufig reproduzierbare Veränderungen. Wie in den nachfolgenden ausgewählten Kasuistiken dargestellt, zeigen Patienten mit Krebserkrankungen häufig (und dies in einem Stadium, in der die klinisch-bildgebende Diagnostik ohne Aussage bleibt) typische Verschiebungen in den lymphozytären Zellpopulationen. So zeigt sich sehr häufig eine quantitative Schwächung der thymusabhängigen Zellen (v.a. T-Zellen), sowie der natürlichen Killerzellen. Möglicherweise geht diese Schwächung, vermutlich parallel mit einer Funktionsschwächung der Granulozyten (Störung der Leukozytolyse nach HEINE, s.Literatur), der Entwicklung und Ausdehnung eines Tumorgeschehens voraus. Wir sehen sehr oft eine anhaltende T-Zellschwäche bei denjenigen Patienten, die dann später ein Tumorrezidiv erleiden. Demgegenüber deutet eine therapeutisch erreichte Stabilität der T-Zellen darauf, daß Krebspatienten aus dem Risikobereich heraustreten und meist rezidivfrei bleiben.

Kommt es zu einer Rezidivbildung, so ist dies an einem Anstieg von LAK- und zytotoxischen Zellen recht früh erkennbar. Diese Zellpopulationen scheinen früh, meist bereits vor der Erfassung eines Tumorrezidivs durch Tumormarker und/oder klinische Verfahren, eine Auseinandersetzung mit malignen Zellen zu signalisieren. Dabei stellen sich uns v.a. die zytotoxischen (CD3+,CD8+,CD38+) Zellen als zuverlässige Parameter für eine beginnende Tumoraktivität dar.

 

Veränderungen des Immunstatus und therapeutische Konsequenzen

Das menschliche Immunsystem unterliegt als lebendiges System einer ständigen Bewegung. Psychische und hormonelle Veränderungen, exogene Einflüsse, Ernährungsgewohnheiten und Noxen, wie auch Erkrankungen des Organismus zwingen das Immunsystem zu einer ständigen Reaktion, die sehr komplex ist und kaskadenartig, ineinandergreifend abläuft. Der Mensch ist aufgrund der beständigen endogenen und exogenen Reize gezwungen, sich auseinanderzusetzen und zu adaptieren. Dementsprechend muß beachtet werden, daß die Durchführung eines Immunstatus nur eine Momentaufnahme erlaubt, und nur den derzeitigen Zustand der Abwehrfähigkeit beschreibt. Die Möglichkeit, die Abwehrlage diagnostisch zu erfassen und zu beobachten, ist auch noch eine recht junge Möglichkeit der Medizin; erst seit dem Auftreten der virusinduzierten Immunschwächekrankheit AIDS ist diese Möglichkeit durch einen immensen Forschungsaufwand verbessert worden. Man kann durchaus sagen, daß die immunologische Krebsforschung vom Auftreten von AIDS profitiert hat, fristete doch zuvor die Tumorimmunologie eher ein Schattendasein.

Daneben ist die Durchführung des Immunstatus auch nur die quantitative, also rein zahlenmäßige Feststellung der Immunlage. Es ist heute zwar möglich, durch Untersuchungen der Stoffwechselaktivität von Abwehrzellen, sowie durch Messung der Zytokinausschüttungen, auch die Aktivität der jeweiligen Zellen zu objektivieren, diese Methoden sind jedoch z.zt. noch sehr aufwendig und teuer, sodaß sie sich für einen routinemäßigen Immunstatus nicht eignen. Ein weiteres Problem stellt das (zwar seltene, aber zu beobachtende) Phänomen des Krebspatienten mit vollständig intaktem Immunstatus dar. Hier muß bedacht werden, daß das menschliche Immunsystem nur reagieren kann, wenn ein Antigenreiz besteht; bei einer kleinen Zahl von Tumoren weisen die Tumorzellen auf ihrer Membran kein typisches Tumorzell-Antigen aus. In diesem Fall handelt es sich um meist sehr fulminant verlaufende Tumorerkrankungen, die keine frühen und typischen immunologischen Veränderungen aufweisen.

Wie in den nachfolgenden Kasuistiken dargestellt, zeigen Krebspatienten in den allermeisten Fällen jedoch typische Muster in ihren Immunstaten. Dabei spielen natürlich eventuelle therapeutische Maßnahmen eine wesentliche Rolle, so daß die Erfassung einer tumorbegünstigenden Immunlage eigentlich nur möglich ist, wenn die Untersuchung präoperativ durchgeführt wird, also vor jeder therapeutischen Manipulation und in Anwesenheit des Tumors. Leider kommen Patienten häufig erst spät in die naturheilkundliche Krebsbehandlung, meist nach dem Auftreten des zweiten oder dritten Rezidivs, oder gar nach Einsetzen einer generalisierten Metastasierung. Die Existenz massiver Tumorzellverbände verändert das Immunbild natürlich ebenso drastisch, wie die vorherige Durchführung einer Chemo- oder Strahlentherapie. Glücklicherweise haben wir in der Berliner Praxis eines der Autoren eine große Zahl von Patienten, die bereits direkt nach der Diagnosestellung, vor jeder Therapie, zur Beratung kommen. So sind wir in der Lage, die spezifischen immunologischen Veränderungen zu beschreiben, die zu einer Tumorbildung geführt haben, oder diese zumindest begleiten.

 

Das Blutbild des Tumorpatienten

üblicherweise zeigt das normale Übersichtsblutbild mit Differenzierung keine typischen Veränderungen: Leukozyten-, Granulozyten-, Monozyten- und Lymphozytenzahlen sind meist normal verteilt, ebenso wie Erythrozyten, Hb und Thrombozyten. Ein Abfall von Erythrozyten und Hb ist meist Folge von invasiven therapeutischen Maßnahmen (Chemo-, Strahlentherapie) und sollte durch die Gabe von roten Pflanzenfarbstoffen, den Flavonoiden und Anthozyanen (z.B. ANTHOZYM PETRASCH), sowie Vitamin B12, Eisen und (z.T.) Folsäure behandelt werden. Die Störungen der weißen Reihe (Leuko-, Granulozytopenie) sind ebenfalls durch therapeutische Maßnahmen der onkologischen Klinik bedingt. Die Applikation von Mistel- und Echinacea-Auszügen stabilisiert dies in leichten Fällen, ggf. müssen Zytokine gegeben werden (z.B. GM-CSF, NEUPOGEN).

Ein weiteres Problem stellt des öfteren eine Thrombozytose dar. Der Grund hierfür ist unklar, jedoch kann eine Erhöhung der Thrombozyten, neben der Gefahr der Thrombose, die Tendenz der Metastasierung erhöhen. Aus diesem Grunde sollte hier beispielsweise mit einem Enzympräparat (WOBE MUGOS) für eine Verbesserung der Blutviskosität und einer Reduzierung der Metastasierungsgefahr gesorgt werden.

Erst die Unterteilung der Lymphozyten mittels Technik der Zytometrie erlaubt den Einblick in vorliegende Veränderungen. Dabei zeigt sich häufig (bei bestehendem Tumorgeschehen) eine leichte Schwächung der Gesamtlymphozytenzahl und der T-Lymphozyten, eine Reduzierung oder grenzwertig niedrige Zahl von natürlichen Killerzellen, sowie eine deutliche Erhöhung der LAK- und (besonders) der zytotoxischen T-8-Zellen. Dabei deutet die Erhöhung der LAK- und zytotox. Zellen auf eine Immunaktivierung durch Auseinandersetzung mit Fremdantigenen (Tumorzellen).

 

Helfer- und Suppressorzellen bei Krebs

Im Gegensatz zu AIDS, bei dem z.T. dramatische Verschiebungen dieser beiden Zellpopulationen auffällig sind (Helferzellen niedrig, Suppressorzellen hoch), zeigen sich die Helferzellzahlen bei Krebskranken meist normal, sofern die Krebskrankheit nicht Folgezustand einer HIV-Infektion ist. Demgegenüber kann häufig ein erhöhter Anteil an Suppressorzellen beobachtet werden, der manchmal Anlaß gibt (v.a., wenn dies im Rahmen einer immunstimulierenden Therapie geschieht), von einer Immun-Suppresssion durch Überstimulation zu sprechen. Hierbei ist darauf zu achten, ob nicht die Erhöhung der Suppressorzell-Zahlen durch einen Anstieg der zytotoxischen Anteile dieser Zellpopulation (CD3+, 8+, 38+) bedingt ist. In diesem Fall (prozentuales Verhältnis von CD8+ zu CD3+, 8+, 38+ über 20%)) handelt es sich also um eine nur scheinbare Immunsuppression, da nicht die Suppressorzellen, sondern deren Subpopulation der zytotoxischen Zellen angestiegen ist.

Die Helfer-Suppressor-ratio bei Krebskranken liegt also meist im Normbereich, oder aber eher in einem erhöhten Bereich.

Als therapeutische Möglichkeiten bei der Erniedrigung der Helferzellen empfiehlt sich die Gabe von Thymuspeptiden (z.B. THYMOJECT), oder hoher Dosen Ascorbinsäure (die allerdings nach dem Absetzen ihren Effekt wieder verliert).

 

B-Zellen bei Krebs

Die B-Zellpopulationen sind im Rahmen der Krebsthematik allermeist im Normbereich. Veränderungen (erniedrigte B-Zell-Zahlen) sehen wir fast nur bei Patienten, die unter bestimmten Chemotherapie-Regimes stehen, die sich zerstörend auf die B-Zell-Population auswirkt, wie z.B. die Therapie mit 5-FLUORO-URACIL).

Sollte eine Erniedrigung der B-Zellen vorliegen, empfiehlt sich die Gabe von Auszügen aus Echinacea und/oder Eleutherokokkus (z.B. ECHINACIN, ELEUKOKK).

 

Natürliche Killerzellen bei Krebs

Die nk-Zellen stellen häufig einen Schwachpunkt bei Krebspatienten dar. Als Zellen mit außerordentlicher Wirkung auf Tumorzellantigene sind diese im Immunstatus besonders zu berücksichtigen. Die nk-Zellen verhalten sich nach Zell-Zell-Kontakt mit Tumorantigenen besonders aggressiv gegen die Tumorzelle, sie produzieren u.a. die Substanz Perforin, die zu einer Auflösung der Tumorzellmembran führt. Defizienzen der nk-Zellen werden besonders gut durch die subcutane oder mäßig hoch dosierte intravenöse Applikation von Mistelextrakten stimuliert.

 

Diese Subpopulation der natürlichen Killerzellen wird durch Zytokine im Bedarfsfall vermehrt gebildet. Aus diesem Grund ist diese Zellpopulation bei Patienten mit manifestem Tumorgeschehen im Immunstatus häufig erhöht. Sie ist für den Diagnostiker Hinweis auf eine laufende Auseinandersetzung mit Tumorzellen und kann als Verlaufsparameter herangezogen werden: eine tumorreduzierende Therapie (welcher Art auch immer) muß den Abfall der LAK-Zellen nach sich ziehen.

 

 

Zytotoxische Zellen bei Krebs

Wie schon weiter oben ausgeführt, stellen die zytotoxischen T-8-Zellen eine Besonderheit unter den Lymphozyten-Untergruppen dar. Ähnlich wie die LAK-Zellen erscheinen sie recht zuverlässig erhöht im Immunstatus, solange eine Auseinandersetzung mit Tumorzellen vorliegt. Nach unseren Beobachtungen sinkt die erhöhte Zahl von zytotoxischen Zellen etwa 8-12 Wochen nach Entfernung eines Tumors in den Normbereich zurück. In der Entstehungsphase eines Tumorgeschehens signalisiert diese Population relativ frühzeitig (noch vor den spezifischen Tumormarkern) eine Auseinandersetzung mit Tumorantigenen.

 

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